Die Handwerkskammer Hamburg befindet sich am Holstenwall direkt gegenüber dem alten botanischen Garten. Das Gebäude wurde 1912 -1915 als “Gewerbehaus” durch den Hamburger Baudirektor Fritz Schumacher für die Selbstverwaltung des Handwerkes erbaut. Es ist 6 Stockwerke hoch (plus Erdgeschoss und Keller) und seine Backsteinbauweise sowie seine Giebel greifen die Bautradition alt-hamburgischer Bürgerhäuser auf.
Die Zweckbestimmung des Bauwerkes wird durch die sechs Skulpturen von Oskar Ulmer deutlich gemacht, von denen jede ein anderes Handwerk symbolisiert. Das Innere des Gebäudes wurde in zwei Bereiche, jeweils für die Handwerkskammer und die Innungen geteilt. Beide Bereiche verfügen über ein eigenes Treppenhaus.
Wir haben das Gebäude innen und außen fotografiert (Fotos in der Galerie am Ende des Artikels) und hatten dabei Gelegenheit Herrn Becker, dem Präsidenten der Handwerkskammer Hamburg, einige Fragen zu stellen.
Ein paar Worte zum Wirtschafts-Standort Hamburg…?
Hamburg spielt immer mehr in der Weltliga mit. Der Hafen ist nicht nur das Tor zur Welt, sondern eine der Top-Adressen für die ganze Welt. Die guten Verbindungen nach Fernost helfen auch der Wirtschaft hier. Der Tourismus, die Luftfahrt und der Hafen boomen. Das schafft in allen Bereichen, auch im Handwerk, neue Arbeitsplätze. Und die Hamburger Wirtschaftspolitiker verbessern die Rahmenbedingungen. Als Unternehmer kann man froh sein, in Hamburg angesiedelt zu sein. Die Stadt hat eine gute Zukunft.
Was zeichnet Hamburg aus Ihrer Sicht aus, was fehlt Ihnen?
Hamburg ist einfach eine tolle Stadt: Trotz der Industrie mitten in der City (Docks und Container im Hafen) dominiert die Natur – das viele Wasser, das viele Grün. Hamburg bietet weltstädtische Architektur genauso wie gemütliche Viertel, das Kulturangebot ist riesig und wird mit der Elbphilharmonie Weltruf bekommen. Man kann sich hier sehr wohl fühlen. Und die Hamburger (auch Neu-Hamburger!) lieben ihre Stadt. Dieses Gesamtpaket zieht natürlich auch weiter hervorragende Arbeitskräfte und Unternehmen an.
Was mir fehlt? Noch ein Quentchen mehr Optimismus, mehr gesellschaftliche Verantwortung statt Egoismus.
Was ist Ihr Statement zur augenblicklichen Situation auf dem Hamburger Arbeitsmarkt? Was müsste sich ändern, um hier eine deutliche Besserung zu erreichen?
Der Hamburger Arbeitsmarkt entwickelt sich seit langem besser als der deutsche Durchschnitt. Die Sondereffekte hier liegen auf der Hand: Konjunktur im Hafen, in der Luftfahrt. Außerdem hat der Hamburger Senat erkannt, dass Arbeitsplätze nur dann geschaffen werden, wenn es den Unternehmen besser geht. Deshalb ist die Arbeitsmarkt-Förderung bei den Firmen besser angebracht als bei fragwürdigen Maßnahmen für Arbeitslose, die den Menschen nicht zu neuen Jobs verhelfen. Was sich noch ändern müsste, das wird alles in Berlin entschieden: Die Lohnnebenkosten müssen sinken. Immer weniger Arbeitnehmer finanzieren immer mehr Leistungsempfänger und ein immer teureres Gesundheitssystem. Das funktioniert nicht mehr. Wenn die Lohnnebenkosten so hoch bleiben, werden weiter Arbeitsplätze verloren gehen oder ins Ausland abwandern – leider auch aus Hamburg.
Wo in HH würden Sie ein Rendezvous verabreden?
An der Außenalster zwischen amerikanischem Konsulat und „Cliff“.
Was ist für Sie „typisch Hamburg“?
Hafen, Understatement, der Michel.
Seit wann gibt es in Hamburg die Handwerkskammer?
Die Handwerkskammer Hamburg wurde am 28. April 1873 als „Gewerbekammer“ gegründet.
Wie viele Mitglieder gibt es?
Zurzeit sind ca. 13.600 Betriebe bei uns eingetragen.
Welches Gewerk ist am stärksten vertreten?
Die meisten Betriebe gehören dem Friseurhandwerk an, danach folgen Installateure und Heizungsbauer.
Wie steht die HWK HH zu den immer wieder formulierten Forderungen nach Modernisierung der Innungen, insbesondere zu der Kritik am Festhalten am Meisterbrief?
Die gesamte Handwerksorganisation ist aufgerufen, sich moderner und mitgliedsnäher aufzustellen. Mitglieder sind unsere Kunden, die sehr viele Dienstleistungen kostenlos oder kostengünstiger erhalten als anderswo. Das müssen die Kammern und Innungen noch stärker bekannt machen. Was den Meisterbrief betrifft, so kann ich den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen: Der Meister ist nach wie vor Deutschlands einzige staatlich geprüfte Ausbildung zum Unternehmer. Hier werden nicht nur fachliche Kenntnisse verbessert, sondern betriebswirtschaftliches Wissen gelernt und die Eignung als Ausbilder trainiert. Das heißt: Meister sind bessere Unternehmer und Ausbilder als Handwerker ohne diese Qualifikation. Das beweist auch die Statistik: 80 Prozent aller Neugründungen in den meisterfreien Berufen geschahen in den letzten zwei Jahren, ohne dass die Inhaber eine handwerkliche Ausbildung hatten. Zwei Drittel von ihnen haben ihre Firma schon wieder geschlossen. Und die Zahl der Lehrstellen in diesen meisterfreien Gewerken geht auch zurück. Der Meisterbrief ist also Qualitätsgarant – für den Kunden, für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und für die Zukunftschancen unserer Jugend.
Machen lokale Standesorganisationen in Zeiten der Globalisierung und der Öffnung der europäischen Märkte überhaupt noch Sinn?
Unbedingt! Solange Politik vor Ort gemacht wird und Verwaltungen vor Ort entscheiden, muss auch Interessenvertretung vor Ort geschehen. Ohne die Handwerkskammer würde manches in Hamburg gegen das Wohl unserer Betriebe passieren. Wir mischen uns ein, wo wichtige Entscheidungen zur Wirtschaftspolitik, zum Städtebau oder zur Ausbildung getroffen werden. Und wir haben einige Erfolge aufzuweisen. Wie sagte unser Erster Bürgermeister Ole von Beust vor kurzem bei einer Veranstaltung mit Handwerkern schmunzelnd: „Haben Sie mal keine Sorge, die Kammer sitzt uns im Nacken.“
Wie erklären Sie einem Bauherrn, dass er für teures Geld einen meisterlich geführten Handwerkerbetrieb sein Bad fliesen lassen sollte, statt es deutlich billiger durch z. B. osteuropäische Arbeiter erledigen zu lassen?
Ganz einfach: Sie investieren so viel Geld in ein eigenes Zuhause – in den Ort, an dem Sie sich am wohlsten fühlen wollen. Möchten Sie dann nicht auch das sichere Gefühl haben, dass Sie Qualität bezahlt haben? Inklusive der Sicherheit, dass bei Fehlern die Gewährleistung eintritt und der Betrieb nicht längst über alle Berge ist? Spätestens dann rufen Hausbesitzer nämlich doch den Fachbetrieb um Hilfe – und dann war der Pfusch vom Billighandwerker letztendlich doch viel teurer. Das Vertrauen zum Meisterbetrieb aus der Nachbarschaft ist die beste Basis für dieses sichere Gefühl.
Bei einem CD-Player aus dem Elektronikmarkt kann Geiz vielleicht geil sein – da geht es vielleicht um 50 Euro. Bei Bau- und Ausbauarbeiten würde ich persönlich nicht am falschen Ende sparen.
Was macht speziell Hamburg für Handwerker attraktiv, und was sollte aus der Sicht des Mittelstandes verbessert werden?
Eine Stadt, die wächst, ist immer spannend für Branchen, die als Dienstleister oder Zulieferer tätig sind. Eine wachsende Bevölkerung verspricht mehr Kunden, neue Firmenansiedlungen versprechen neue Auftraggeber, der umfassende alte Baubestand in Hamburg wird weiterhin viele Renovierungs- und Sanierungsarbeiten notwendig machen. Eine Metropole wie die unsere ist ein Magnet. Kein Wunder, dass osteuropäische Handwerksbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern gar nicht erst anhalten, sondern direkt zu uns durchfahren.
Wie sehen Sie die Situation der Hamburger Handwerker in der Konkurrenz zu auf den Markt drängenden “Niedriglohnanbietern”?
Der Druck auf die Preise ist in vielen Gewerken ruinös. Wir werden durch die Internationalisierung im Handwerk sicher in Zukunft noch Firmen und damit Arbeitsplätze verlieren. Wir spüren aber auch, dass immer mehr Betriebe Ideen entwickeln, wie sie dieser Preisspirale nach unten entkommen und sich zu erfolgreichen „Marken-Anbietern“ formen. Handwerk made in Hamburg ist seinen Preis wert, es bietet Qualität mit Garantie, es bietet Produkte und Dienstleistungen, die es woanders nicht gibt, es bietet Lehrstellen für den Nachwuchs. Das können die Billigen alles nicht bieten. Hamburger Handwerker müssen einfach besser und einzigartiger sein. Und sie sollten ihrerseits die Chancen der grenzenlosen Märkte nutzen. Die Außenwirtschaftsberatung der Handwerkskammer hilft schon vielen Betrieben erfolgreich beim Gang ins Ausland.
Wird die Aussage: “Handwerk hat goldenen Boden” in Zukunft weiterhin Gültigkeit behalten, und was tut die HWK dafür?
Das Handwerk muss gar keinen goldenen Boden haben, aber es sollte einen stabilen Boden haben – mit gut finanzierten Betrieben, sicheren Arbeitsplätzen, zufriedenen Kunden. Das wird uns gelingen, wenn wir weiter daran arbeiten, uns aus dem Preis- in den Qualitätswettbewerb zu entwickeln. Die Handwerkskammer hilft den Betrieben vielfach: Wir gehen mit den Firmen auf die Suche nach Innovationen, neuen Produkten, neuen Marketingideen, wir akquirieren Fördergelder beim Senat und wir investieren in das modernste handwerkliche Bildungszentrum Deutschlands: 2007 wird es in Harburg eröffnen. Nur stetige Weiterbildung wird Handwerkern den Vorsprung sichern. Wenn wir schon vom „Gold“ reden, dann sage ich: Viel Arbeiten ist silber, lebenslanges Lernen ist Gold.
Andreas Lettow und Jörn Daberkow
Ergänzende Links
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1. Mai 2006 um 17:51 Uhr
Hallo Hamburger Fotoblogger !
Durch Zufall geriet ich auf Ihre schönen Natur- und Landschafts-Fotoserien von Hamburg und die Camarque. Die Bilder vom Inneren vom alten Schumacher-Bau der Handwerkskammer sind auch gelungen.
Im Unterschied zu den anderen Fotoserien ist die Handwekskammer-Serie von der Themenstellung etwas ganz Besonderes. Ich finde die Porträt-Aufnahmen des Handwekskammer-Präsidenten Becker außerordentlich. Ein sehr markanter Kopf, der Dynamik und ein sehr männliches Selbstbewusstsein ausstrahlt. Dieser Repräsentant der Handwerker müsste viel bewegen können, denn in Hamburg sind Handel und Industrie sehr stark.
Freundliche Grüße
A. Ellerbrock
1. Mai 2006 um 17:56 Uhr
Hallo A. Ellerbrock,
es sind noch viele solche Serien wie die Handwerkskammer geplant. Wir sind derzeit mit mehreren Hamburger Persönlichkeiten im Gespräch und hoffen, dass wir bald weitere Artikel bringen können.
Schönen Gruß
Jörn Daberkow
6. Mai 2006 um 21:28 Uhr
Hi,
also, der Mann – ein echter Präsident! – sieht richtig gut aus, das finde ich auch, aber eigentlich nicht so, wie ich mir einen Handwerker oder Meister vorstelle – ich kenne da einige – mehr wie ein Manager, der mit der Regierung zu verhandeln hat.
Was mich stört, ist auch die Einsamkeit und Introvertiertheit der Bilder. Das Gebäude (nahe Planten un Plomen) sieht von außen sehr hanseatisch aus. Davon werden keine Fotos gezeigt. Im polierten Inneren ist es menschenleer – fast menschenleer, denn wenigstens der Präsident ist zu sehen.
Mit freundlichem Gruß
S. Bauer
8. Mai 2006 um 22:07 Uhr
Hallo Frau Bauer,
wir haben Ihre konstruktiven Anmerkungen zum Anlaß genommen, unser ursprüngliches Vorhaben zügig in die Tat umzusetzen und sind nochmals zur Handwerkskammer gefahren, um das Gebäude auch von außen zeigen zu können. Diese Bilder werden in den nächsten Tagen in die Seite eingebunden.
An jenem Vormittag, als wir mit Herrn Becker verabredet waren, war es allerdings wirklich sehr ruhig in der Kammer, und eigentlich war uns das auch ganz recht so, wollten wir doch zum Einen den Präsidenten portraitieren, aber eben auch das Innere des Gebäudes darstellen. Daß dabei auch die jeweilige Interpretation des Photographen zum Ausdruck kommt, ist sicherlich einer der Gründe, daß nicht immer alle Betrachter das zu sehen bekommen, was ihrer Sichtweise oder Erwartung entspricht.
Aber da wir mit diesem Projekt ja noch ganz am Anfang stehen, werden wir uns weiter bemühen, ein breites Spektrum an Bildern über unsere Stadt zu zeigen.
Mit freundlichen Grüßen
A. Lettow
25. Juni 2006 um 10:47 Uhr
Handwerkskammer menschenleer? Einsam?
Diese Fotos verfolgen doch nicht den Zweck, Werbung oder Marketing für die Kammer zu machen. Davon gibt es sicher genug.
Die Besonderheit des Gebäudes wird mit den künstlerisch anspruchsvoll gestalteten Bildern hervorragend vermittelt.
Da ich die Kammer in Kürze auch besuchen werde, fühle ich mich eingestimmt, dort auch mit “anderen Augen” zu schauen.
Klasse, vielen Dank!
4. Januar 2008 um 16:25 Uhr
Nach diesen Fotos weiß ich, woher der Spruch: “Handwerk hat goldenen Boden” kommt! Gigantisch!
29. Januar 2009 um 10:12 Uhr
Sehr schöne Bilder, die viel von der Kraft und Schönheit des Handwerkskammer-Gebäudes vermitteln, die auf jeden Betrachter vor Ort wirken. Was nur wenigen bekannt ist: Die meisten der wunderschönen historischen Räumlichkeiten lassen sich für jeden mieten. Egal ob für Besprechungen, Seminare oder Hochzeitsfeiern. Vom kleinen Besprechungsraum bis hin zum großen Festsaal sind die meisten Räume stunden- oder tageweise zu mieten.